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Zwischen halb dri und dri

Aktualisiert: vor 4 Tagen


First things first: Zelten ist immer noch nicht mein Ding. Dafür weiß ich jetzt, was „Fötzele“ bzw. „am Fötzle sii“ bedeutet. Und damit: ein herzliches Grüezi wohl. Man mag es an der Wortwahl erahnen – in meinem neuen Blogeintrag dreht sich diesmal alles um deine Ma ;)

Es ist Samstag, der Wecker klingelt. Ich danke dem Vergangenheits-Daim, dass er sich am Vortag nicht komplett weggeschossen hat. Bereits zum zweiten Mal durfte ich Staudach mit meiner Musik beschallen. Das Waikiki Festival war wieder mal absolut gut zu mir. Doch nun hieß es: Auf nach Zürich zum Reeds Festival – besser gesagt nach Pfäffikon. Wieder ohne DJ ;) Dieser hatte Diarrhö und cancelte per SMS die Show. Seine Frau hat mir dann noch extra geschrieben, dass er an diesem Tag wirklich oft auf Toilette musste. Als hätte sie geahnt, dass ich ihm die Story nicht so ganz abkaufe. Mach ich’s mir halt selbst. Wäre ja nicht das erste Mal.

Das Ziel war Pfäffikon. Als Berufszugfahrer wollte ich mir erst bei Ankunft in der Schweiz genauere Gedanken machen, wohin ich dann wirklich muss.

Hä? So etwas plant man doch im Voraus! Mach ich nie. Hätte ich mal sollen. Dann wäre mir aufgefallen, dass es zwei Pfäffikons gibt.

Flashback Vibes. Vor gut einem Jahrzehnt, damals noch mit den „Taktattackers“, flog ich von Berlin nach Freiburg. Der Rest der Band reiste von Bayern an. Ich weiß es noch genau – ich rief meinen Ex-DJ an: „Ich bin in Freiburg gelandet. Wo soll ich hin? Wo seid ihr?“ Max antwortete: „Mach mich nicht fertig, Daim. Das Konzert ist erst nächste Woche.“

Ich stieg also aus und googelte zum ersten Mal „Reeds Festival“. Siehe da – Google Maps fand das Reeds im Nu. Aber fünf Stunden zu Fuß? Das kann nicht sein …Dann der Hammer: Du bist im falschen Pfäffikon. 17:10 strandete ich endlich, nach zehneinhalb Stunden Zugfahrt, im richtigen Pfäffikon. Ich wollte auf Nummer sicher gehen und nochmal alle Instanzen durchchecken. Aber der Anblick von vier Rastas, Leuten mit Zelten und dem sweeten Geruch von Ganja überzeugte mich sofort am richtigen Ort zu sein.

Der erste Auftritt wäre 17 Uhr in der Whisky-Bar gewesen. Das Wetter hatte „zum Glück“ andere Pläne – es fing heftigst an zu schütten.

Ich mach das ja immer öfter, blind aufzuschlagen. Soll heißen: Ich hab keinen Wetterbericht geguckt, wollte nicht wissen, wie und was das Reeds Festival ist. Was sind die Sideevents? Warum ist die Schweiz so fucking teuer? Nichts lässt die Stimmung mehr kippen als eigene Erwartungen. Also einfach machen.

Nach kürzester Rüstzeit – wo ist das Backstage, wo bekomme ich ein Bändchen, wer ist für mich zuständig, wo schlaf ich (dazu später mehr) etc. – traf ich die erste Vertrauensperson. Die gute Mary hat mich ins Reeds geschleust. Ich möchte sie als Botschafterin des guten Geschmacks vorstellen. Irgendwie aber auch als Aktivistin, der Erde wohlgesonnen. Ihr verdanke ich auch den Auftritt bei den Afrika Tagen. Wobei ich am Reeds Festival nicht die Hauptbühne bespielen durfte – machte gar nichts.

Sowohl der Samstag (zwischen zwei Essensständen) als auch der Sonntag (Campingbühne) waren wieder mal ein absolutes Erfolgserlebnis. Nach meinem ersten Konzert am Samstag wollte ich – noch vor meinem ersten Joint und weiteren Bieren – mich um meinen Schlafplatz kümmern. Den Sideevent-Künstler:innen gab man einen VIP-Zeltbereich. Okay. Brauch ich also ein Zelt ;)

Hier kommt die wunderbare Camille ins Spiel – Reeds-Crewmitglied, zuständig für unser Wohlergehen und andere Festival-To-dos und Head of den Side Events. O-Ton Carmille:

„Okay, du laufsch jetzt da der Wäg entlang, häusch di rächts. Irgendwenn chunsch denn zum Camping-Bereich. Gliich am Afang isch d’Camping-Bar. Nach dä Bar gangsch grad rächts. Denn gsehsch es Schild mit dim Name druf. Det isch o e Camping-Bus, und underem findsch dä Sack mit dim Zält drin.“

Ich war nüchtern. Ich hab’s verstanden.

Dort angekommen, war ich erst mal geflasht: 2000 Zeltbewohner:innen, eine eigene Bar mit Chillout-Area, Hip-Hop-Sound – es gab sogar einen Campingchef-Beauftragten. Michael. Ein Typ mit einem Herz, das so groß sein muss wie er selbst. Ich fand just den Campingwagen mit meiner Zelttasche darunter.

Planker Neid überfällt mich bei Menschen, die sich hinlegen und einschlafen. Das war schon immer ein Problem. Zwar helfen mir Meditationen, aber da muss schon alles passen: ein Bett, absolute Ruhe, keine fremden Nebengeräusche, die richtige Temperatur – und mein State of Mind.

Deswegen zelte ich prinzipiell nicht. Ich verstehe aber den Abenteuergedanken dahinter. Ich habe in meinem Leben einmal ein Zelt aufgebaut. Da war ich mit meinem Lennox-Schatzimausi im Europapark Rust. Und da mussten mir zwei Mädels helfen.

Michael hatte wohl die Verzweiflung in meinen Augen gesehen. Also brachte er mir erst mal ein Bier und einen Brownie und bot mir seine Hilfe an – die ich auch dankend annahm. Das Zelt stand. Mein Unbehagen wuchs.


Ich werde in diesem Ding wohl eher nicht die REM-Phase erreichen.


Schlafsack, Kissen und Matratze borgte mir Camille.


Nice das Zelt steht, let´s have some fun!


Ich habe auf keinem Festival der Welt so viele Kinder gesehen – mit Ohrschutz, wohlgemerkt – die noch zur Primetime rumsprangen, als gäbe es keinen Morgen. Ein so großes Wir-Gefühl bei allen Mitarbeitenden auf dem Reeds, sah ich selten. Ich sog alles auf. Tanzte mir einen Wolf.

Alleine die Welt erkunden – eine absolute Body & Mind Experience. Es dauert zwar hier und da ein wenig, sich einzugrooven, aber wenn man sich erst einmal von allem „Wohin mit meinem Körper?“-Schwachsinn gelöst hat, ist das schon ein sehr bewusstes Abenteuer. Wann kommt man sonst mit so vielen Menschen ins Gespräch?

Und es wurde viel ausgetauscht in dieser Samstagnacht. Wenn ich irgendwo bin, möchte ich Mythen hinterfragen. Hier in Wien fühlte ich schon dutzenden Österreicher:innen auf den Zahn, warum nicht wenige von ihnen Deutsche verachten.

In der Schweiz juckte mich ein anderes Anliegen:Mein Onkel erzählte mir mit 16 einen Witz, der bis ins hohe Alter mein absoluter Favorite ist: Was ist die beste Zeit für einen Schweizer Skilehrer? Zwischen halb dri und dri.

Ich wollte wissen, ob dieser auch in der Schweiz zündet. Negativ. Da fängt es schon an, dass man in weiten Teilen des Landes „drü“ statt „dri“ sagt.

Dafür erfuhr ich vieles über das „Freaktal“, die Menschen selbst und dass „Fötzele“ Müll bedeutet. Das steckte mir Camille in einem nicen After-Hour-Talk um drei Uhr morgens vor unseren Schlafgemächern.

Ich lernte auch erstaunlich viel über Schnecken. Dass es zum Beispiel große weiße gibt, die braune aufessen und töten. Da klingelt was ;)

Ich hätte liebend gern mit ihr weitergepaludert, aber ich musste versuchen zu schlafen. Freitag auf Samstag fünf Stunden gepennt, dann 10,5 Stunden Zugfahrt, eine knappe Stunde Show, fünf Bier, vier Joints, ein Zelt. Du legst dich da jetzt rein Daim, und schläfst!


Blocksberg und Drei ??? sei Dank gelang mir das auch – eineinhalb Stunden später. Ich wachte aber voller Vorfreude auf, die Campingbühne zu rocken. Ein Konterbier, Soundcheck – und gib ihm!

Im Anschluss noch die nicen Vinyls „Mein Bestes“ verkauft. Ich guckte auf die Uhr.


15 Uhr... oida. Und jetzt noch die Heimreise nach Wien.


Geschafft habe ich es bis nach Bernau am Chiemsee. 23 Uhr. Meine tolle Ma hat mir das Bett in meinem alten Jugendzimmer hergerichtet. Das war soooo schön. Zwar ein Couchbett, aber dafür keine Melange aus Besoffski-Gesprächen, schnarchenden Personen oder dumpf vibrierenden Bässen der Camping-Bar. Nur ich – und meine Erkenntnisse der letzten Tage:


  • Erwarte wenig – werde mehr positiv überrascht.

  • Ein „daherzubayern“ klappt in Österreich hervorragend, um sich zwischenmenschlich mit gefühlsängstlichen Personen ad hoc auf eine Ebene zu bringen.

  • Den Schweizern war das wurscht.

  • Ein bisschen Planung würde mir guttun. Aber bitte nicht übertreiben.

  • Zelten ist scheiße ;) (Sorry an alle Adventure-Leute…)

  • Allein oder mit meinem Sohn die Welt zu erkunden, macht halt doch am meisten Spaß.

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