In meinem letzten Blog habe ich Euch ja gebeichtet, dass ich mich nie traue meinen Song „The Criminal“ auf Bayerns Bühnen zu performen. HAHAHAHAHAHA letztes Wochenende war es dann soweit. Die Resonanz hat mich umgehauen. Aber dazu später mehr.
Ich hatte das Glück, dass „Sun State of Mind“ am selben Festival performte wie ich. Das 40.
Gautinger Kulturspektakel. Wobei sich die Verantwortlichen nicht zu 100 Prozent einig waren, ob es denn auch wirklich das vierzigste Spektakel war und nicht doch erst das neununddreißigste oder schon das einundvierzigste.
Ich konnte also für lau, von Wien nach Bayern, mit Steffi und Max mitfahren. Ein bisschen unentspannt saß ich auf der Rückbank. Ich hatte nämlich noch keinen DJ für diesen Auftritt. Meiner bekam die Nacht zuvor den Blinddarm entfernt. Witzig. Nicht die Operation, aber die Tatsache dass ich wieder ohne DJ zu einem Festival fuhr. Glücklicherweise ließ sich vor Ort eine Option auftreiben. Annika aus Bayern. Sie hätte am nächsten Tag sowieso unter dem Namen „Saphir“ auf dem Kulturspektakel aufgelegt. Eine coole Socke. Hat ultra viel Spaß gemacht, die Bühne mit ihr zu teilen. Aber gucken wir zum Anfang. Der Wecker am 21. Juli schreckte mich um 8 Uhr wach. Ich ahnte nichts gutes, als der Name meines DJ ́s als Notiz, „Neue Nachricht“, am Bildschirm aufploppte. Die Abfahrt von Wien war um 09:30 Uhr. Im Auto ging ich alle Disc-Jockey-Optionen durch. Einer meiner Besten (Münchner) hätte mir als Laie zur Seite gestanden, sollte sich niemand finden. Gegen 16 Uhr betraten wir das Festivalgelände. Um kurz vor sechs dann die Erleichterung. „Wir haben jemanden“, vibrierte mein Handy.
Ich hatte also noch gut zwei Stunden die Beats von meinem Smartphone auf ihren Macbook zu packen. Gschissener Apfel. Wer meinen letzten Eintrag las, schmunzelt an dieser Stelle (es war wieder ein Mac). Über Umwege haben wir es dann geschafft ;)
20:30 Uhr Showtime auf der Hauptbühne. Ur leiwand. Auch vom Slot her ein Traum. Die Leute hatten schon leicht getankt und setzten mehr Energie frei als vor drei Stunden.
Der Spaßfaktor auf der Bühne steigt mit der Anzahl der Zuhörer*innen und/oder deren Pegel.
WORD. Aber bitte nicht falsch verstehen. Es ist nicht so, dass ich lieber mitternachts vor Sturzbetrunkenen performe, als nachmittags vor Familien. Wobei... Na ja ihr wisst schon was ich mein.
Der Auftritt verlief super. Es wurden immer mehr als weniger. Keine technischen Probleme. Keine Texthänger. Sogar das Kiffen vor der Show konnte ich erneut sein lassen. Verschwitzt und überglücklich warf ich, nach meiner Zugabe, einen kurzen Blick auf die Uhr. Punktlandung. Genau eine Stunde Show. Die Crowd war mega dankbar und verlangte mehr. „Darf ich noch einen?“, keuchte ich ins Mikrofon, den Blick Richtung FOH (Front of House) gerichtet. Der Techniker nickte. Okay was spiel ich? Ich ging die Setlist auf Saphirs Bildschirm durch und da leuchtete „The Criminal“ wie eine Reklame am Time Square auf.
Puh – soll ich das wirklich wagen? Als letzten Song? Scheiß drauf ich mach ́s!
Wie auch bei „Bert“ möchte ich diesen Track, den Leuten nicht kommentarlos an die Birne knallen. Also erzählte ich, dass der eigentliche Anstoß, diesen Song zu komponieren, eine Rede von Herrn Andreas Winhart war. Dem AfD Politiker glitt folgender Satz über die Lippen:
"Ich möchte wissen, wenn mich in der Nachbarschaft ein N**** anküsst oder anhustet, dann muss ich wissen, ist der krank oder nicht krank liebe Freunde und dass müssen wir sicherstellen."(#1) Als ich 2021 mit dem Taxi zum ORF fuhr, Halbfinale Starmania, meinte der Fahrer: „Es ist nicht von Vorteil, wenn Künstler*innen politische Texte in ihren Songs haben. Du verschreckst dir unnötig Teile deiner Fanbase.“ Irgendwie hat er Recht und irgendwie auch nicht. „The Criminal“ ist mein einziger politisch angehauchter Song den ich habe. Angehaucht deswegen, weil der Text ja nicht wirklich politisch ist.
Für mich ist dieses Lied eine Aufarbeitung von schrecklichen Dingen, die ich erleben musste.
Punkt. Aber er spaltet extrem. Immer wenn ich den Song bei den „U Bahn Stars“ (Straßenmusik) performe, löst sich die Crowd sukzessiv auf. IMMER.
Mal mehr mal weniger. Oder streng ausgedrückt - bei diesem Song trennt sich die Spreu vom Weizen. Oder er ist einfach für alle schwer auszuhalten. Ich weiß es nicht. Whatever...
Saphir drückte Play
Der Beat setzte ein, ich verfiel in Trance und war voll in meiner Rolle. Ich hatte ein wenig Schiss in die Augen der Leute zu blicken, also schloss ich meine eigenen. Sang den Song für mich. Was ich auf jeden Fall wahrnahm, war die Stille. Sie hörten zu. Ich wagte einen Blick. Es wurde nicht getanzt, aber auch nicht das Weite gesucht. Dann war der Track vorbei. Den tobenden Applaus nahm ich nicht wirklich war. Ich verbeugte und bedankte mich und machte darauf aufmerksam, dass ich jetzt Merchandise verkaufen wolle, an einem der Tische neben der Bühne. Dort angekommen warteten auch schon die Ersten.
Den Anfang machte ein Herr mittleren Alters:
„Super Performance, geile Lieder aber bitte keine politischen Texte. Das war völlig unpassend am Schluss.“
Ich nickte geistesabwesend und antwortete ihm halbherzig. Ich weiß auch gar nicht mehr genau was ich sagte, aber ich fühlte mich definitiv unwohl in meiner Haut. Er zog mit leicht finsterer Miene ab, kaufte nichts und lies mich mit einem strangen Gefühl sitzen. Es heiterte mich auf, dass der Rest der Anwesenden mir Zuspruch gab und durchsickern ließen, dass ich sehr wohl darauf bestehen sollte, solche Lieder zu performen. Zudem kaufte ein nettes Mädel mein total verschwitztes und während der Show getragenes „Bier und Berge T Shirt“. Nicht für sich, sondern für ihren Begleiter ;) Sie nahmen auch eine Platte mit.
Ihr werdet jetzt bestimmt denken, dass es doch egal sei, wenn sich einer brüskiert fühlt.
Für mich bedeutet das aber, wenn eine Person es laut ausspricht, denken zehn andere dasselbe. Warum zum Teufel? Aus Charme? Wenn der gute Herr mir „nur“ einen Tip geben wollte, dass politische Texte in meinem Fall die Leute eher verschreckt, dann kann ich damit leben. Aber er hat sich so verhalten, als hätte ich ihn ertappt und er sein negatives Gefühl, mit seiner Kritik an mir, eher wett machen wollte. Wenn Kunstschaffende mit ihren Werken ihr Herz ausschütten wollen, würde ich einen Teufel tun, sie dafür zu kritisieren. Vor allem nicht unmittelbar nach ihrem Konzert, während sie versuchen Business zu machen. Es war ja nicht das erste mal. Meine Bedenken „The Criminal“ nicht in Bayern zu singen/rappen, kommen also nicht von ungefähr. Mein Einstieg in den Song:
„Ey yo Bayern so was von kein Land für Schwarze ich habe,
weder n riesen Schwanz noch plan ich Attentate.“,
ist schon sehr direkt und wirkt vielleicht so, als ich hätte ich einen grundlegenden Hass auf den schönen Freistaat.
Eine weitere Passage:
„Wird Zeit dass wir drüber schreiben,
selbst meine Besten mein ich übertreibe.“
Meine Freunde sind alle „weiß“ und können das nicht so richtig nachvollziehen. Kann ich gut
verstehen.
Aber ich würde mich nicht trauen, mit Mütter über die Schmerzen der Schwangerschaft zu schwadronieren. Fakt ist, ich habe mich immer vor politischen Texten gescheut. Das können andere viel besser als ich. Die Leute sollen sich auf meinen Konzerten wohlfühlen!
Schuster bleib bei deinen Leisten.
"Ursprünglich war es ein Maler, der seine Gemälde so aufstellte, dass er hinter diesen stehen und die Kritik der Betracher*innen anhören konnte. Ein Schuster bemängelte das Fehlen einer Öse an einem gemalten Schuh, worauf der Maler diese ergänzte." (#2)
Die spannende Frage ist ja, mit welcher Intention der Schuster das Bild monierte. Ich möchte dem Herren am Gautinger Kulturspektakel nichts unterstellen. Vielleicht hat er auch mit bestem Gewissen gehandelt und wollte mir nur einen hilfreichen Tip geben. Vielleicht sollte ich endlich loslassen können und nicht immer wieder in alte Strukturen verfallen. Nicht ständig in der Vergangenheit leben.
Ich will einfach nur entertainen und den Leuten eine schöne Zeit verschaffen (und damit Geld verdienen). Was ist Eure Meinung zu diesem Thema? Politik ja nein an aus? Kopf oder Zahl? Mann oder Maus? Danke für Eure Zeit ;)
(#1) Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=_xAtlG5IyBo
(#1) Quelle: https://de.wiktionary.org/wiki/Schuster,_bleib_bei_deinem_Leisten
Ganz klar: Politik JA! 😀😀 ICH feier deinen Text!